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Donnerstag, 26. Februar 2015

Tagesklinik (Teil 2)

Ich habe so gut es geht versucht, meine Betreuerin zu ignorieren und mich nicht zu sehr aufzuregen. Ich habe dort eine Freundin gefunden, mit der ich auch noch heute Kontakt habe und mich immer wieder freue, sie zu sehen. Wir haben viele lustige Momente zusammen erlebt und konnten von Anfang an sehr offen miteinander sprechen. Sicherlich auch, weil wir ja beide vom anderen wussten, dass er auch Probleme hat. Welche das genau sind war eigentlich nie relevant, es ist einfach das nötige Verständnis da unter "Leidensgenossen".
Durch das abwechslungsreiche Tagesprogramm waren wir auch immer ziemlich beschäftigt, was mir persönlich sehr half, wieder eine Tagesstruktur zu entwickeln. Es gab jedoch auch immer wieder Momente, wo ich mich total fehl am Platz gefühlt habe. Obschon ich von Menschen umgeben war, war ich oft sehr einsam und in mich gekehrt. Habe viel über mich nachgedacht. Es gab 2 Situationen im Tagesablauf, die sehr schwierig waren für mich:
Das erste Problem fing schon am Morgen früh an. Denn zur Begrüssung haben wir uns immer alle (auch die Betreuer) in einem Raum getroffen. Wir sassen im Kreis und jeder erzählte kurz wie es im geht. Oder wie er den gestrigen Tag fand. Oder man sagte gar nichts. Es war einfach eine Möglichkeit, sich mitzuteilen. Es waren eigentlich auch immer etwa die Gleichen, die dieses Bedürfnis hatten. Natürlich konnte ich von den Leuten dort nicht erwarten, dass sie mich anschauten beim reden, denn sie redeten ja nicht mit mir, sondern mit der Gruppe. Demzufolge habe ich auch nie etwas davon verstanden, denn ich konnte ja nur noch etwas verstehen, wenn ich zusätzlich von den Lippen ablesen konnte. Und auch das geht natürlich nur, wenn eine Person direkt und nah mir gegenüber sitzt. Das ganze Morgenritual dauerte jeweils eine gute halbe Stunde. Und mir kam es vor wie eine elend lange Ewigkeit. Ich musste manchmal auch aufpassen, dass ich nicht einschlief. Es war so furchtbar langweilig. Ich habe manchmal die Kleidung der anderen studiert, oder deren Frisuren. Habe mich gefragt, wieviel sie wohl wiegen oder wie es wohl bei ihnen zu Hause aussehen mag. Ob sie Familie haben, eventuell sogar Kinder...
Das gleiche Ritual fand dann auch Nachmittags statt, bevor wir nach Hause gehen konnten. Aber da ging es dann schon schneller, weil jeder gehen wollte und müde war. Glück gehabt!
Der zweite Moment, wo ich total überflüssig war, war die wöchentliche Sitzung. Da sassen wir zusammen und es ging um Vorschläge für Ausflüge, Verbesserungsvorschläge allgemein, Ämter verteilen, etc. Das konnte dann schon mal bis zu zwei Stunden dauern. Auch hier hatte ich keine Chance, dem Gruppengespräch zu folgen. Ich sass da, wartete bis es fertig ist und danach hat mich meine Freundin kurz über das Wichtigste aufgeklärt. Mich haben diese Situationen teilweise sehr wütend gemacht. Einfach so dazusitzen und keiner gibt sich die Mühe, dich ins Gespräch einzubringen. Ich habe dann auch mal mit meiner Betreuerin darüber gesprochen, ob ich in dieser Zeit nicht jeweils etwas anderes tun könnte. Von mir aus abwaschen, oder im Atelier arbeiten, Hauptsache etwas tun. Sie meinte dann, dass sie mir da keine "Extrawurst" geben könnte und das Programm für alle das Gleiche sei. Voilà, der Chef hatte gesprochen. Aber hatte ich denn etwas Anderes erwartet?!

Dienstag, 17. Februar 2015

Tagesklinik (Teil 1)

Nach und nach wurde mir einfach alles zu viel. Das Arbeitslosenamt schickte mich zum Sozialamt und dort schickten sie mich wieder zurück. Die IV meldete sich ewig nicht und ich hatte das Gefühl, mir nicht mehr selber helfen zu können. Dazu kam, dass es mir gesundheitlich nicht gut ging, ich es aber nicht genau einordnen konnte. Ich fühlte mich krank, obschon ich kein Fieber hatte.
Meine Psychologin sorgte sich sehr und fand es die beste Lösung, wenn ich in eine psychiatrische Tagesklinik gehe. Sie meinte, es würde mir wieder einen Tagesablauf geben und zudem würde man mich dort unterstützen im Kampf gegen die Ämter. Dazu kam ja auch immer noch das psychologische Gutachten, welches die IV forderte und auch  dies könnte man mir nach einem Aufenthalt in dieser Klinik geben. Also stimmte ich zu und konnte kurz darauf auch schon meinen ersten Tag dort beginnen.
Mein Umfeld hat extrem schlecht auf diese Situation reagiert. "Was willst du denn in der Klappsmühle?" "Dir fehlt doch überhaupt nichts, geh endlich wieder arbeiten, dann gehts dir besser". Einige Bekanntschaften haben sich da verabschiedet, weil sie es überhaupt nicht versehen konnten.
Aber es war schliesslich mein Weg und ich war wirklich froh unter Leute zu kommen. Die Betreuer schienen alle sehr sympathisch zu sein. Eine von ihnen hat sich sehr bemüht mir das ganze Haus zu zeigen und mir den Tagesablauf zu erklären. Sie hat sehr deutlich gesprochen und immer den Blickkontakt gesucht. Auch die anderen "Patienten" haben mich sofort sehr herzlich aufgenommen und es wurde untereinander immer geschaut, dass keiner alleine rumsitzt. Diejenigen, die schon länger da waren, haben sich sehr um die Neulinge gekümmert und mir alles erklärt.
Für diejenigen, die es nicht kennen: In einer Tagesklinik geht man morgens hin, bleibt dann den ganzen Tag dort und geht am späteren Nachmittag wieder nach Hause. Es ist so wie eine Tagesbeschäftigung. Jeder Tag war individuell gestaltet. Wir gingen walken, machten Ausflüge, hatten Turnunterricht, bastelten im Atelier; wir kochten jedoch auch, kauften ein und putzten das Haus. Es war wirklich immer etwas los, ohne das man aber dabei überfordert wurde. Innerhalb ziemlich kurzer Zeit waren wir eine kleine Familie. Wir redeten extrem viel; nicht nur mit Psychologen. Die besten Gespräche führten wir unter uns "Patienten". Die einzige Person, die total unsympathisch war, war meine Betreuerin. Das war nicht von Anfang an so. Das hat sich ergeben. Sie kriegte es als Einzige nicht hin, deutlich genug zu sprechen. Zudem gab sie mir ziemlich rasch das Gefühl, nicht am richtigen Ort zu sein. Das störte mich sehr, weil mir der Ort gut tat. Ich fragte nach, ob es nicht möglich sei, die Bezugsperson zu wechseln. Nicht möglich. Das war sehr schade, denn ich konnte mich dieser Frau so überhaupt nicht öffnen. Und dadurch war sie unzufrieden und nahm mich nicht ganz ernst. Ich musste sie jedes Mal darauf hinweisen, dass ich nicht wegen einer psychischen Krankheit da war, sondern wegen dem Resultat einer körperlichen Krankheit. Aber sie versuchten natürlich mit allen Mitteln und Wegen meine Symptome auf die Psyche zu lenken. Und so erhielt ich mein erstes Psychopharmaka-Medikament. Es sollte angstlösend wirken und Stimmungsschwankungen ausgleichen.
Und irgendwie hatte ich noch ein Fünkchen Hoffnung, dass sie einfach Recht hatten. Und alles ist nur psychisch. Und dann würde ich diese Tabletten schlucken und alles würde wieder gut werden.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Am falschen Ort...

Die Firma meines Vaters, wo ich die letzten Jahre gearbeitet hatte, war Konkurs gegangen. Für mich war das ein dreifacher Verlust. Erstens hat mir meine Arbeit dort sehr gut gefallen, zweitens tat es mir extrem Leid für meinen Vater, dass es nicht so geklappt hat, wie er sich das vorstellte. Und drittens war es recht schwierig auf meinem Beruf einen Job zu finden ohne Kundenkontakt und ohne Telefondienst. Mein Gehör wurde nämlich schön schleichend von Monat zu Monat schlechter. Die Verschlechterung schritt so langsam voran, dass ich es selbst gar nicht richtig wahr nahm.
Als ich mich beim Arbeitslosenamt anmeldete und zu meinem ersten Gespräch ging, sagte mir der Berater, dass er noch abklären müsse ob ich überhaupt Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, da ich ja auf meinem Beruf nicht zu 100% vermittelbar sei. Spätestens am Infotag merkte ich dann, dass das wohl nicht sehr viel bringen würde. Ich sass diese Stunde ab ohne irgend etwas zu verstehen. Zum Glück bekamen wir alle Infos noch schriftlich. In solchen Situationen habe ich mich dann extrem in mein Schneckenhaus zurückgezogen. Was wollte ich auch anderes tun? Ich fühlte mich unter Menschen nicht mehr wohl. Fühlte mich gestresst und hatte immer Angst, dass jemand etwas von mir will und ich es nicht merke. Es ist recht schwierig diese Situation zu beschreiben. Man kann sich einfach nicht integrieren, wenn man nur kleine Bruchteile von Gesprächen und Fragen mitbekommt. Man hat auch keinen Spass so unter Menschen zu sein. Hätte ich damals gewusst (und auch sagen können) "Ich habe eine Krankheit und bin gehörlos"; aber das konnte ich nicht. Also wird man zur komischen Aussenseiterin, mit der etwas nicht stimmt. Die "keine Lust" hat zuzuhören und mitzumachen. 
Ich versuche, mich mit einem Vergleich besser auszudrücken:
Stell dir vor, du ziehst morgen - ohne jegliche sprachliche Vorkenntnisse - nach China. Es erwartet dich am Flughafen eine ganze Horde gesprächiger Menschen, die dich abholen. Sie fragen dich sofort aus, wie es dir geht, ob du einen guten Flug hattest, etc. Der Haken: Du verstehst kein Wort, also nickst du, verlegen lächelnd. Die Namen deiner neuen Mitmenschen verstehst du nicht und kannst sie somit nicht ansprechen. Wenn du etwas brauchst, musst du gut schauspielern können, damit du bekommst wonach du suchst. Du wirst sehr froh sein, wenn man dir zeigt was du tun sollst, anstatt es dir zu erklären. Du wirst lernen müssen, dir einzelne Wörter zu merken, damit du dann Schritt für Schritt Zusammenhänge bilden kannst. Nicht wenig Einfluss wird auch die Mimik deiner Mitmenschen haben, damit du erkennen kannst, ob sie wütend sind oder einen Witz machen. 
Jetzt stell dir vor, du bist dort und deine Mitmenschen sind intolerant. Anstatt dich zu integrieren und die sprachliche Brücke zu bauen, schauen sie dich verachtend an und lassen dich alleine zurecht kommen. Wenn du auf sie zugehst, antworten sie dir in einem chinesischen Hochgeschwindigkeitstempo. 
Genau so fühlte ich mich an diesem Infotag. Was machte ich überhaupt hier? Es waren etliche Nationalitäten anwesend. Auf alle wurde eingegangen. Aber ich war da definitiv falsch. 


Freitag, 6. Februar 2015

Ängste

Die IV verlangte ja nun noch mein psychiatrisches Gutachten. Also besuchte ich eine Ärztin für Psychiatrie. Es war eine Frau mittleren Alters mit einem fürchterlichen, chronischen Husten. Mir war das anfangs total unangenehm mit einer fremden Frau zu sprechen. Ich wusste ja auch überhaupt nicht, was ich ihr erzählen sollte. Eigentlich war es ja ihre Aufgabe herauszufinden, warum ich überhaupt bei ihr war. Schräg. Nun ja, wir erstellten einen Stammbaum meiner Familie und jede einzelne Person von ihnen haben wir kurz besprochen. Auch über einen möglichen Lebenspartner und über meine Freunde hat sie mich ausgefragt. Und immer wieder zwischendurch sehr lange Pausen, in denen sie mich einfach anschaute und anlächelte. Hmm... sollte ich zurück lächeln? Oder hätte ich etwas erzählen müssen? Ich war total unsicher. Und ich hatte Lust zu weinen. Nicht weil ich traurig war, aber weil man das halt so kennt vom Fernsehen, dass beim Psychiater alle weinen. Und zudem konnte ich hinschauen wo ich wollte, überall lagen Taschentücher bereit. Aber ich konnte nicht weinen. Stattdessen tat mein Körper, was er in letzter Zeit öfters machte und indem er mittlerweilen richtig gut wurde: Er bekam Panik. Hattest Du schon mal eine Panikattacke? So eine richtig Schlimme, wo du schon dein Handy in den Händen hältst und zitternd die Notrufnummer eintippst? Es fängt ja meist ganz harmlos an, mit einem leichten Gefühl von Unwohlsein. Ohne bestimmten Grund. Es kann zum Beispiel an der Temperatur liegen, oder manchmal reicht schon nur etwas Gehörtes oder Gesehenes, das einem missfällt. Dann auf einmal wird einem warm; es ist nicht ein angenehmes warm sondern eher ein "ich muss mir die Kleider vom Leib reissen"-warm. Auf einmal - bei mir fing es meist bei den Füssen an und arbeitete sich empor - verspürt man dieses Kribbeln auf der Haut. Spätestens wenn es dann so auf Herzhöhe ist, rast auch schon der Puls kräftig mit. Das hingegen kurbelt die Atmung an und das Hyperventillieren wirkt sich dann noch negativer auf das Herzrasen aus. Wenn man hier in dem Moment noch steht, dann gehört man schon zur abgehärteteren Sorte. Bei denen folgt dann noch das Trillerpfeifen-laute Ohrensausen, was zum totalen Zusammenbruch des Körpergefühls führt. Es ist wie eine tickende Bombe... Allzeit bereit zu explodieren. Und das Wichtigste: das logische Denken wird sehr effizient ausgeschaltet und in dem Moment ist die natürlichste Schlussfolgerung dieser Situation: "Ich sterbe".
Und genau das habe ich da zum meiner Ärztin gesagt. "Tun Sie doch was, ich sterbe!". Und sie sass nur da und lächelte mich immer noch genau gleich an. Sie fragte mich: "Erleiden Sie gerade einen Schlaganfall? Oder ist es eventuell das erste Anzeichen eines Herzinfarktes?" ... und immer noch sass sie total gelassen da. "Ja!" antwortete ich und bemerkte, wie mit meinem Ja alles anfing sich etwas zu beruhigen. Sie erklärte mir dann, dass Panikattacken überhaupt nicht bedrohlich seien. Es sei lediglich die Angst, die unser Hirn dazu bringt, nicht mehr klar denken zu können. Aber das kennen wir ja alle. Wenn eine Spinne vor uns runterkommt, fuchteln wir automatisch wie wild mit den Händen rum. Und Schreien wenn möglich noch dazu. Damit auch die Spinne noch eine Panikattacke kriegt.
Ich finde, man redet heutzutage nicht mehr über Ängste. Weil das ist peinlich. Jeder will doch stark sein. Nicht verletzlich wirken.
Dabei sind sie ein elender Teufelskreis und man muss sie ansprechen um sie überwinden zu können.
Nur schon indem meine Ärztin erfasste, was da gerade mit mir geschah und mir Verständnis dafür zeigte, damit hat sie mir so unheimlich geholfen.
Diese erste Sitzung fiel also für mich positiver aus, als ich erwartet hätte.

Liebe Blog-Leser... was sind eure Ängste? Habt ihr Lust mir darüber zu schreiben? Ihr könnt hier den Post kommentieren oder mich per Kontaktformular (auch anonym) kontaktieren.