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Freitag, 16. Januar 2015

Wartezeit...

"Wenn man die Zeit, die ich im Wartezimmer verbracht habe zusammenzählt, hätte ich ebenso gut Medizin studieren, den Facharzt in Neurologie machen und mich selbst behandeln können." 😊

Die Auswertungen meiner letzten Tests waren nicht sehr viel aussagend. Man sah, dass mein Hörnerv rebelliert und überhaupt nicht so funktionierte, wie er sollte. Doch sogar der Doktor Professor hatte solche Resultate noch nie gesehen. Also wusste er auch wieder nicht weiter.
Da sich mein Gehör weiterhin im Schneckentempo verschlechterte, war es mir ein grosses Anliegen, dass der Professor mich bei der Invalidenversicherung anmeldete. Im Moment erwartete ich nichts von ihnen. Aber da keiner meine Prognose wusste, war mir das so lieber. Der Professor schrieb also einen zusammenfassenden Brief über all meine Tests und Auswertungen und schickte den zur IV.

Während der ganzen Warterei ging mein Leben ja trotzdem weiter. Ich merkte, dass ich bei der Arbeit überhaupt keine Nerven mehr hatte. Ich war sehr viel krank und extrem erschöpft. Mein Hirn hatte sich nun angewöhnt, den Leuten beim Sprechen von den Lippen zu lesen. Das machte es zumindest etwas einfacher, das Nötigste zu verstehen. Der Telefondienst war unmöglich geworden, doch das glaubte mir nach wie vor keiner. Ich verstand nicht mehr, wer am Telefon war; konnte nicht einmal mehr beurteilen ob die Stimme männlich oder weiblich war. Ich hörte nur noch Geräusche, welche ich nicht zuordnen konnte. Lärm.
Ich konnte mich zu dem Zeitpunkt auch ganz schlecht ausdrücken. Ich wollte ja keinen unnötigen Aufstand machen, aber trotzdem mitteilen, dass es mir nicht gut ging. Das hat leider so nicht funktioniert. Ich habe es einfach nicht hinbekommen, mir das nötige Verständnis und auch Einfühlungsvermögen zu holen. Das hat mich wahnsinnig traurig gemacht und ich fühlte mich sehr einsam; in mich gekehrt. Auch in den Arbeitspausen habe ich jeweils nichts mehr mitgekriegt. Wir waren immer etwa zu fünft im Pausenraum, aber bei Gruppengesprächen konnte ich nicht mehr folgen. Die Kommunikation funktionierte nur noch beim Gespräch mit einer einzelnen Person. Ich habe dann irgendwann begonnen, mich von den anderen zurück zu ziehen. Ich ging sehr gerne alleine in die Pause um mich zu erholen und die Ruhe zu geniessen.
In der Zeit lastete ein enormer Druck auf mir. Ich wurde schon nervös, wenn jemand auf mich zu lief. Weil die Person könnte ja etwas von mir wollen und ich würde dumm dastehen, wenn ich sie nicht verstehen würde. Meine Mitarbeiter und auch meine Freunde wussten ja, dass die Ärzte bei mir nichts fanden und nahmen mich deswegen auch nicht so ganz ernst. Ich möchte hier aber auf keinen Fall irgendwelche Vorwürfe austeilen. Denn ich war ja auch nicht im Stande mich mitzuteilen. Jedenfalls nicht wie ich es gerne gewollt hätte. Ein Freund sagte mir einmal: "Nur wer schreit, wird auch gehört!" Ich war bis dahin eigentlich völlig vom Gegenteil überzeugt. Aber da ich damit keinen Schritt weiter kam, beschloss ich, zu rebellieren. Zu Schreien. Auf mich aufmerksam zu machen.

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